Die Geschichte der Amateurboxer
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Die Amateurboxer, böswillige Münder sprechen gern von den Kirmesboxern, hatten es in ihrer Vergangenheit immer schwer, das nötige Ansehen zu erhalten. Doch worauf ist dieser schwere Stand zurückzuführen? Die Verbände selbst haben in der Geschichte oft kein gutes Haar an den Nachwuchstalenten gelassen. Nicht selten machten Gerüchte die Runde, die Amateure würden mit Knebelverträgen ihrer Persönlichkeitsrechte enteignet und seien dazu verdammt, für eine vorgeschriebene Anzahl von Jahren in ihrer Amateurliga zu boxen. Und so ganz abwegig ist die Vorgehensweise auch überhaupt nicht, denn nicht wenige junge Boxer unterwarfen sich derartigen Verträgen in der Hoffnung, dass sich danach für sie die Tür zum großen Boxsport öffnet. Viele der Amateure bleiben Zeit ihres Boxerlebens in der Amateurliga und schaffen den Absprung nicht in die Profiliga.
Eine WM wie jede andere?
Eigentlich nicht, denn allein die Tatsache, dass es sich hier um die Austragung einer Weltmeisterschaft handelt, impliziert nicht automatisch, dass auch das Interesse der Öffentlichkeit an diesem sportlichen Ereignis WM-like wäre. Im Gegenteil: So sehr sich Hamburg über die Austragung der Amateur-Box-WM im Jahr 2017 freut, so schwer dürfte es der Hansestadt auch fallen, geeignete Duellhallen zu finden. Realistisch betrachtet dürfen sie nicht zu klein sein, aber auch nicht zu groß. Denn Zuschauerzahlen, wie wir es aus den großen Spielen von Klitschko und seinen Duellanten gewöhnt sind, müssen hier wohl kaum bewältigt werden. 400 Zuschauer bei einem der Qualifikationstermine waren bei den letzten Meisterschaften schon viel. Um jedoch einmal eine Lanze für den Amateursport zu brechen, muss an dieser Stelle dennoch darauf hingewiesen werden, dass auch unter den Amateuren Sternchen sind, die das Potential haben, in die obere Liga aufzusteigen.
Roman Fress
Geboren ist diese Nachwuchshoffnung am 20.03.1994 in Kasachstan – eine ganz junge Perle also. Seine Eltern zogen, als Fress noch ein Baby war. von Kasachstan nach Bremen. Bevor die Familie endgültig in Troisdorf heimisch wurde, zogen sie noch einige Male um. Bereits im zarten Alter von elf Jahren schlug das Herz des gebürtigen Kasachen für den Boxsport. Und er hatte Glück – man erkannte sein sportlerisches Talent und nahm ihn mit nach Köln zum Colinia-Verein. Sein Debüt bei einer WM gab er schon im Jahr 2007. Aber leider konnte er nur bei einem Kampf antreten, dann war der Traum von einer WM-Platzierung schon wieder ausgeträumt. Das Nachwuchstalent hat sich von dieser Niederlage jedoch nicht beirren lassen und sicherte sich im Jahr darauf den Titel als Deutscher Meister. Ganz schön beachtlich, so ein Titel für einen so jungen Boxer. Und die Liste seiner Erfolge konnte er im Jahr 2009 auch noch durch ein WM Bronze in Argentinien erweitern. Mit dem dritten Rang bei den Europameisterschaften in der Ukraine machte er sich unter den Kennern nun endgültig einen Namen. Kurze Niederschläge, wie bei der WM 2011 in Dublin, bei der er lediglich um Platz 5 zu kämpfen fähig war, steckte er aber schnell weg. Als Herausforderung sieht er derartige Niederlagen an und betrachtet sie ganz erwachsen als „Lehrzeit“. Seine Ziele, Olympia 2016, die WM 2017 und Olympia 2020 sind große Aufgaben, jedoch sind sie ihm wirklich zuzumuten, wenn auch der Einstieg in die Oberliga mit vielen Hürden verbunden sein wird.
Hamza Touba
Eine Fliege im Boxerkostüm – so lässt sich die wirklich zierliche Erscheinung eines besonders erfolgreichen Amateurboxers leicht beschreiben. Niemand auf der Straße würde je vermuten, dass der 52 Kilogramm leichte Brillenträger im Amateurboxen ein großer Name ist. Seine Vita jedoch liest sich, als gäbe es da durchaus noch enormes Potential nach oben. Der 23-jährige boxt im Fliegengewicht, sein Körpergewicht würde auch keinen anderen Schluss zulassen. Die Qualifikation in London verpasste er. Zurückzuführen war das laut eigener Aussage darauf, dass er sich zu sehr an den vom Verband veränderten Vorgaben orientiert habe – falsch, wie sich in London herausstellte. Bis zum Jahr 2010 war es in der Amateurliga Usus, lediglich zehn bis zwölf Stunden pro Woche zu trainieren. Ein bisschen wenig – selbst aus Sicht eines Box-Laien. Um wirklich erfolgreich sein zu können, sollte es doch wesentlich mehr Trainingseinheiten bedürfen. Nachdem dieses Problem im Verband zu großer Kritik geführt hat, trainiert nun auch Touba als großes Nachwuchstalent 20 Stunden pro Woche, immer mit dem Ziel im Auge, die anstehenden Weltmeisterschaften und Olympia für sich zu entscheiden. Der am 06.11.1991 geborene Fliegengewichtler hat schon so einige Meisterschaften erboxt:
- Deutscher Jugendmeister 2009
- Deutscher Meister 2010
- Deutscher Meister 2011
- Deutscher Meister 2012
- Deutscher Meister 2013
- Deutscher Meister 2014
- Vize EU-Meister 2007
- 5. Platz bei den EU-Jugendmeisterschaften 2009
- Drittplatzier bei den U22-Europameisterschaften 2012
Die Liste könnten noch beliebig erweitert werden. Hamza Touba ist also ein sehr ernst zu nehmender Konkurrent für die übrigen Amateur-Boxer.
Können Boxer wie Fress und Hamza das Ruder nochmal rumreißen?
Betrachtet man die Vergangenheit des Amateur-Boxsports, dann muss realistisch betrachtet gesagt werden, dass selbst Namen wie Henri Maske, die aus dem Amateursport hervorgegangen sind, das Ansehen nicht heben konnten. Selbst, wenn Nachwuchstalente, wie Fress und Hamza in den großen Sport wechseln, wird dies wohl aller Wahrscheinlichkeit nicht dazu führen, dass das Amateurboxen an Glanz gewinnt. Wozu derartige Talente jedoch beitragen können ist, dass sie dem Amateursport eine besondere Qualität verleihen. Kenner wissen genau, dass es nicht einfach ist, sich hier zu etablieren. Denn die Grenze zwischen „Kirmesboxer“ und Amateur mit Ambitionen lässt sich für sie doch leichter ziehen, als gedacht.
Was brauchen die Amateure, um den Sport wieder zu beflügeln?
Die Antwort hierauf dürfte klar sein: Geld, Geld und nochmals Geld. Wie auch im Fußball sind die Boxer darauf angewiesen, dass große Sponsoren ihren Weg finanziell unterstützen. Mit mittelständischen Unternehmen lässt sich selbst der erfolgreichste Trainer wohl kaum auf unterklassige Verträge ein. Da kann der Amateur noch so gut sein. Geld regiert auch im Boxsport die Welt. Was dem Boxsport allgemein jedoch zu Gute gehalten werden muss, ist die Tatsache, dass er nur äußerst selten durch Korruptionsaffären von sich Reden macht. Vielleicht ist das auch darauf zurückzuführen, dass besonders unter den Amateuren nicht die Vakanzen bestehen, in die mögliche schwarze Investoren ihr Geld stecken möchten. Die öffentliche Aufmerksamkeit dürfte ihnen schlicht zu gering sein.
Die Hamburger jedenfalls freuen sich wie Bolle
Die Hansestadt Hamburg sieht in der Austragung der Box-Amateur-WM im Jahr 2017 eine große Chance, sich als Großstadt einen Namen im Sport zu machen. Der Innensenator von Hamburg möchte nun der Welt zeigen, „…was Hamburg kann“. Dabei hatten es die Nordlichter bei der Auslosung nicht ganz so leicht, denn sie mussten sich gegen große Konkurrenz aus Usbekistan und Russland durchsetzen. Ihre Hochburgen Taschkent und Sotschi wären ebenso prädestiniert gewesen, die Box-WM auszutragen – womöglich noch etwas mehr, als die Hansestadt. Schön aber, dass die Wahl nun ein zweites Mal auf Hamburg gefallen ist. Vielleicht kann sich die Hansestadt ja endlich international als ein lohnenswerter Sportstandort etablieren. Die AIBA als drittgrößter Verband im IOC verwies auf das wirklich gute Konzept der Stadt und betont – von den Hamburgern natürlich gern gehört – dass solche Veranstaltungen das Potential haben, Städten zu großem Ruhm zu verhelfen.
Rosige Aussichten für das Amateurboxen?
Wenn man es so will, gibt es einige mehr oder weniger zielführende Versuche, den Amateur-Box-Sport professioneller wirken zu lassen. Dazu beitragen sollen vor allem die äußeren Umstände. Events sollen größer, toller und attraktiver gestaltet werden. Vielleicht wäre es auch durchaus sinnvoll, Amateursportler nicht mehr auf den Kirmesfesten auftreten zu lassen. Denn das gibt es tatsächlich. Dann verwundert es auch nicht, weshalb diesem Sport so wenig abgewonnen wird. Rosige Aussichten jedenfalls haben die Zuschauer seit einiger Zeit, denn der Blick auf das Gesicht der Amateure ist nun frei von jeglichem Kopfschutz. Hintergrund war die Tatsache, dass wohl der Kopfschutz die Aggressivität der Schläge des Gegenübers noch gefördert hat. Die Hemmschwelle, seinem Gegner mehr als ordentlich eine zu verpassen, war einfach zu groß. Damit soll nun auch verhindert werden, dass der Amateursport in eine unsachliche Ebene abrutscht. Darüber hinaus möchten die Verbände damit bewirken, dass sich mehr Zuschauer in die Hallen verirren, denn endlich haben sie auch ein Gesicht zu dem Boxer, der da im Ring so erfolgreich kämpft. Womöglich hat diese Tatsache ja in der Vergangenheit die Amateurliga gebremst. Denn schließlich ist es naturgemäß so, dass Menschen bestimmte Dinge mit Gesichtern in Verbindung bringen. Wenn diese natürlich immer mit einem mehr oder minder hübschen Kopfschutz verdeckt werden, können nicht einmal die Frauen unter uns einen Liebling für sich ausmachen. Vielleicht bringt ja die WM 2017 in Hamburg neuen Glanz in die Amateurliga, zu wünschen wäre es den vielen, fleißigen, jungen Boxern allemal, denn ihre Kämpfe können sich im Vergleich zu Profikämpfen auch durchaus sehen lassen.
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