Eine Evolution im Profiradsport
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Der Profiradsport durchläuft gerade eine Evolution, durch Blutkontrollen können Profis entlarvt werden, die den verbotenen Beschleuniger Epo nutzen, um bessere Leistungen zu erzielen. Nicht nur Fälle, die aktuell mit Epo dopen, sondern auch solche, die in der Vergangenheit Epo genommen haben, können aufgedeckt werden. Auch andere Substanzen können durch Blutproben nachgewiesen werden. Um Doping zu vermeiden, wurde der Blutpass für Radrennfahrer eingeführt, er macht Doping deutlich riskanter. Da es nun nicht mehr so einfach ist, mit verschiedenen Mitteln zu dopen, befürchtet der Internationale Radsportverband (UCI), dass die bisherigen Methoden des Missbrauchs durch das E-Doping ergänzt werden. Beim Giro d’Italia wurden durch die UCI bereits zwei Kontrollen auf versteckte Elektromotoren durchgeführt. Nach der 18. Etappe des Giro d’Italia suchte Ryder Hesjedal nach einem Mechaniker. Zum Ausrollen um den Lago Maggiore musste der Kanadier seinen Sattel neu einstellen, da er von einem Kontrolleur der UCI abgeschraubt wurde. Der Rahmen wurde durch den Kontrolleur vermutlich auf einen versteckten Elektromotor untersucht. Der Kontrolleur demontierte auch die Pedale, um das Tretlager zu begutachten. Verschiedene Radhersteller haben Elektromotoren an Pedalen und Rahmen angebracht und klassische Rennräder in E-Bikes umgewandelt.
E-Motoren kein Problem für den privaten Gebrauch
Der Einbau von E-Motoren in Fahrräder ist für den privaten Gebrauch kein Problem, wenn die Motoren die Grenze von 250 Watt nicht überschreiten. Bei Motoren mit einer höheren Leistung ist eine polizeiliche Zulassung der Räder als Kleinkrafträder erforderlich. Eine solche Unterstützung stellt im Sport eine Manipulation dar. Die UCI führte Anfang dieses Jahres den Paragraphen 12.1.013 ein, bei dem es um technologischen Betrug geht. Fahrern, die ihre Räder mit E-Motoren aufgerüstet haben, drohen nach diesem Paragraphen harte Strafen:
- umgehende Disqualifizierung
- Sperre für mindestens sechs Monate
- Strafen von 20.000 bis 200.000 Schweizer Franken
Auch die Teams werden disqualifiziert und für mindestens sechs Monate gesperrt. Sie müssen eine Geldstrafe zwischen 100.000 und einer Million Schweizer Franken zahlen.
Betrug ist technologisch möglich
Der Betrug mit versteckten Elektromotoren an Fahrrädern wird in der Szene für möglich gehalten, doch winkten Mechaniker verschiedener Teams beim Giro d’Italia ab. Ein Mitarbeiter vom Team Sky sagte, dass der Einbau von Elektromotoren in Fahrräder technologisch schwierig sei. Ein Motor muss sehr leise und von der Konkurrenz nicht hörbar sein, es darf auch keine verdächtigen Bewegungen beim Zu- und Abschalten des Motors geben. Motor und Batterie dürfen nicht sichtbar sein. Um alle diese Anforderungen an einen versteckten Elektromotor zu erfüllen, müssen die E-Doper einiges mehr drauf haben als konventionelle Bastler. Dennoch ist diese Aufgabe lösbar. Wjatscheslaw Jekomow, der Chef des Teams Katjuscha, äußerte sich, dass die UCI ihre Gründe für die Kontrollen habe und dass die Kontrollen durchaus sinnvoll sind. Die Kontrollen werden auch von Marc Reef vom deutschen Rennstall Giant Alpecin begrüßt. Er spricht davon, dass es in der Vergangenheit verschiedene Geschichten gab, von denen allerdings niemand weiß, ob sie wahr sind. Die Doping-Kontrollen werden verstärkt durchgeführt. Daher suchen viele Radsportler nach anderen Möglichkeiten für einen Betrug.
Fabian Cancellara unter Verdacht
Fabian Cancellara stand bereits im Verdacht des E-Dopings. Videos von den Auftritten des Fahrers während der Klassiker-Saison 2010 wurden von einem italienischen Radsport-Enthusiasten ins Netz gestellt, dabei werden abrupte Beschleunigungen und ungewöhnliche Handbewegungen des Schweizer Fahrers sichtbar. Mit diesen Videoaufnahmen ist noch nichts bewiesen, die Beschuldigungen wurden von Cancellara abgestritten. Die Frage, ob den Zeitfahrern derartige Pionierarbeit zugetraut wird oder ob es sich bei den Anschuldigungen nur um mangelnden Respekt vor der akribischen Vorbereitung des Schweizer Radsportlers handelte, spaltet die Radsportgemeinde. Für Spekulationen sorgte im vergangenen Jahr auch Hesjedal, als er bei der Vuelta stürzte und sich sein Rad nach dem Sturz noch über einige Zeit drehte. Daraufhin wurde in der Radsport-affinen Internetgemeinde mit Selbstversuchen demonstriert, dass ein sich drehendes Laufrad sich auch nach einem Sturz noch weiterhin drehen kann. Wahrscheinlich hat der Verdacht Hesjedals aus dem vergangenen Jahr nichts mit den diesjährigen Kontrollen Hesjedals beim Giro d’Italia zu tun, denn Hesjedal war in der 18. Etappe ein Protagonist. Für den Gesamtführenden Alberto Contador war er einer der Tempomacher. Auch das Rad von Contador wurde kontrolliert, doch wurde nichts gefunden. Fündig wurden die Kontrolleure auch nicht bei den ersten Kontrollen zum Beginn des Giro d’Italia sowie bei den Rennen Paris – Nizza und Mailand – San Remo.
Technische Tricks, um Rivalen zu besiegen
Technische Tricks, um Rivalen zu besiegen, haben für viele Fahrer ihren Reiz. Der Elektrobetrug ist nicht neu und betrifft nicht nur den Radsport. Ein Beispiel dafür ist Olympia 1976; der sowjetische Fünfkämpfer Boris Onishchenko rüstete seinen Degen mit einem Stromkreis auf, der bei den Gegnern Treffer auslöste, auch dann, wenn sie die Klinge um wenige Zentimeter verfehlte. Onishchenko ging nicht geschickt genug vor, denn die Manipulation war offensichtlich, sodass sie schließlich von einem britischen Fechter bemerkt wurde, der daraufhin eine Materialkontrolle forderte. Darauf folgte die umgehende Disqualifikation Onishchenkos. Das E-Doping im Radsport wird in Fachkreisen nicht ausgeschlossen; die italienische Polizei ist bereits darauf eingestellt. So wie es in den vergangenen Jahren beim Giro d’Italia Dopingrazzien gab, führten die Polizisten am Samstag vor der 20. Etappe des Giro d’Italia eine große Motorenkontrolle an den Rennrädern durch.
Verdacht auf E-Doping bei der Tour de France
Radsportler merken selbst sehr gut, ob sie am Ende einer Etappe durch die Dopingkontrolle müssen. Marcel Sieberg, ein Fahrer aus dem Lotto-Team, sagt, dass er davon gar nichts mitbekommen habe. Er fuhr ganz normal über die Ziellinie und zum Mannschaftsbus und stellte dort sein Fahrrad ab. Nach Angaben der UCI wurde in der zweiten Etappe nicht Sieberg als Fahrer, sondern dessen Fahrrad kontrolliert. Gegenwärtig ist das E-Doping von Fahrrädern ein heißdiskutiertes Manipulationsthema in der Welt des Radsports. Bei den Kontrollen geht es inzwischen weniger darum, chemische Substanzen nachzuweisen, sondern technische Hilfsmittel aufzuspüren, mit denen der Fahrer seine Leistung verbessern kann. Brian Cookson, der UCI-Präsident, sieht sich und seinen Verband vor einem ersten Problem. Die Tour de France lässt den Schluss zu, dass dieses Thema im Radsport nicht ernsthaft genug angepackt wird. Bei der letzten Tour de France verliefen die Rad-Kontrollen noch in einem überschaubaren Rahmen. Nur nach drei von 15 Etappen gab es bis zum Alpen-Ruhetag in Gap unerwartete Materialkontrollen. Die UCI teilte auf Anfrage mit, dass nur nach der zweiten, dritten und neunten Etappe kontrolliert wurde. Die Kontrolleure nahmen 19 Räder genauer unter die Lupe, sie achteten dabei besonders auf
- Pedale
- Sattel
- Hinterrad
und andere Komponenten. Die Jury der Tour entscheidet nach Absprache mit der UCI, welches Rennrad geprüft wird. Viele der geprüften Räder stammen von Spitzenmannschaften. Auf der neunten Etappe wurden nach dem Teamzeitfahren die Räder aller neun Fahrer des Sky-Teams von Christopher Froome geprüft, weiterhin schauten sich die Kontrolleure drei Räder von Tinkoff-Saxo und zwei Räder von Astana an. Verwunderlich ist, dass so wenige Überprüfungen stattfinden, wo dieses Thema vom Weltverband als derart ernst eingestuft wird. Während der Tour antwortete die UCI auf Nachfrage nicht darauf, ob weitere Kontrollen geplant waren.
Betrugsverdacht auch bei der Vuelta
Bei der Vuelta, die erst vor kurzem in Spanien ausgetragen wurde, kam ebenfalls ein Verdacht auf E-Doping auf, als zwei Mechaniker einen Rahmen verschwinden ließen. Das Movistar Team geriet durch eine Videoaufnahme eines Fans in Bedrängnis, denn das Video, das angeblich von der neunten Etappe stammt, zeigt, wie das Begleitfahrzeug des Teams auf der Schlussgerade anhielt, der Chef-Mechaniker des Teams, Tomás Amézaga, ausstieg und einen Sattel mit Sattel-Stange auf die Straße legte. Im Video fordert der Mechaniker einen Betreuer auf, Sattel und Sattelstange zum Auto zu nehmen, der Betreuer stimmt zu. Das Video zeigt, wie der Mechaniker einen Rahmen ohne Sattel und Vorderrad vom Autodach nimmt, an den Straßenrand legt und den Betreuer auffordert, diesen Rahmen zu verstecken. Ein Kind fragt, warum das Fahrrad versteckt wird. Der Mechaniker erklärt, dass der Rahmen kaputt sei und dass dem Lieferanten des Fahrrads, der deutschen Firma Canyon, Peinlichkeiten erspart werden sollten. Der Sportdirektor des Movistar-Teams, José Luis Arrieta, sagte gegenüber der Gazzetta dello Sport, dass so etwas häufiger praktiziert werde und dass Reparaturarbeiten beschleunigt werden. Ein Sprecher von Canyon sagte daraufhin, dass diese Vorgehensweise im Radsport typisch ist, um defekte Fahrräder vor den Blicken von Fotografen und Zuschauern zu schützen. Bei der Vuelta waren keine Mitarbeiter von Canyon vor Ort.
Betrüger können überführt werden
Jürgen Rademacher, ein Triathlet und Radhändler aus Kassel, meint, dass E-Doping Unfug sei, denn mit Motor und Akku ist das Rad viel schwerer. Er ist der Meinung, dass Betrüger überführt werden könnten, indem das Rad gewogen wird. Schon vor einigen Jahren hat die UCI einen Scanner zu einem Preis von angeblich 52.000 Euro angeschafft, der zum Durchleuchten der Rahmen dient.
Foto: (c) Wettbuero.de