Islands Ligafußball – Vereine, die niemand kennt
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Schon mal was von dem Verein FH Hafnarfjördur gehört? Oder von Valur Reykjavík? Nein? Nun, der erstgenannte ist immerhin der amtierende isländische Fußballmeister und Valur konnte sich in der vergangenen Saison den isländischen Pokal sichern. Und somit spielen beide Teams sogar in den europäischen Pokalwettbewerben der UEFA mit – jedoch nur in den Qualifikationsrunden. In die Gruppenphase hat es bislang noch kein isländischer Klub geschafft. Kaum verwunderlich, schließlich ist Island nicht gerade das bevölkerungsreichste und größte Land Europas:
- 334.300 Einwohner, also etwas so viele Menschen wie in Bielefeld leben
- 3,2 Einwohner auf einem km²
- bei einer Fläche von 103.125 km²
Das Land ist vor allem für das raue Klima, die Gletscher, die großartigen Wasserfälle und die Geysire bekannt. Aber sicherlich nicht für attraktiven Fußball. Doch die Nationalmannschaft zieht gerade alle Register.
Der Kader der isländischen Nationalmannschaft: Alles Legionäre
Wenn ein Nationalteam nur aus Legionären besteht, dann sind die Gründe meist in der heimischen Liga zu suchen. Und so ist es auch auf Island. Die einheimischen Vereine haben weder das Geld, noch die Möglichkeiten, talentierten Spielern Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten. Und auch der Ausdruck „Legionäre“ ist vielleicht ein wenig irreführend, denn die Nationalspieler kicken nicht bei Real Madrid, Juventus Turin oder dem FC Bayern München. Sondern:
- FC Basel
- Cardiff City
- Charlton Athletic
- 1. FC Kaiserslautern
- Odense
- Sandefjord
Nur ganz wenige wie Gylfi Sigurdsson (Swansea City) oder Alfred Finnbogason (FC Augsburg) haben es in die 1. Liga eines angesehenen Fußballlandes geschafft. Durch den Erfolg der eigenen Nationalmannschaft geht gerade eine Welle der Begeisterung durch das ganze Land.
Die Fans
Der Erfolg oder Misserfolg des Sports hängt vor allem von den Fans ab. Denn ohne begeisterungsfähige Fans gibt es keinen Sport – klar, irgendwer muss sich das ja auch anschauen wollen. Und gerade im Falle von Island sind die Zahlen zur EM beeindruckend: 20.000 Isländer halten sich derzeit in Frankreich auf, das sind rund 6 Prozent der gesamten Bevölkerung. Und sie bringen ihre eigene Fankultur mit in die Stadien: Das rhythmische Klatschen, unterbrochen von sekundenlanger Stille und vollzogen mit einem lautstarken “Hu”, dürfte schon in der kommenden Saison durch die Stadien Englands, Frankreichs und Deutschlands hallen. Trainer Heimir Hallgrimson weiß:
„Wir haben fantastische Fans. Und sie haben wirklich einen großen Anteil an dem Erreichten. Ich appelliere daher an die Uefa, uns mehr Karten zur Verfügung zu stellen. Für das Duell gegen Frankreich und das Spiel danach.“
So geht Selbstbewusstsein. Hallgrimson weiter:
„Tja, die Spieler haben ihre Hürde genommen. Jedes Hindernis wirkt nun kleiner. Das hilft und schafft Selbstbewusstsein. Wenn die Spieler es weiterhin so angehen wie heute, können wir jede Mannschaft schlagen.“
Die möglichen Auswirkungen auf den isländischen Fußball
Bisher ist es so, dass die Isländer nicht unbedingt sehr begeistert von der heimischen Liga sind. Das ist alleine daran erkennbar, dass die populärste Liga in dem Land nicht etwa die Pepsideild, sondern die Premier League ist.
„Der englische Fußball hat uns alle geprägt. Wir schauen ihn seit unserer Kindheit.“
Doch das könnte sich jetzt ändern. Denn die Auswirkungen der großartigen Leistungen des Nationalteams liegen bereits jetzt auf der Hand:
- Besseres Training
- mehr internationale Erfahrung, die das Nationalteam an die anderen weitergegeben werden soll
Der andere Trainer, Lars Lagerbäck meint:
„Allein dieses Turnier in Frankreich wird den isländischen Fußball weiter voranbringen. Die Spieler und Betreuer haben sich das hier alles angeschaut, haben erstmals eine EM miterlebt. Wir wissen nun alle, wie so etwas läuft. Das kann eine tolle Entwicklung nach sich ziehen.“
Und natürlich wird sich auch für die Spieler, die bei dieser Europameisterschaft so tolle Leistungen gezeigt haben, einiges ändern:
„Ragnar Sigurdsson hat eine der besten Leistungen gezeigt, die je ein Innenverteidiger für Island gebracht hat“, so Hallgrimson „ich wäre nicht überrascht, wenn sich die großen Klubs jetzt um ihn kümmern. Ich weiß nicht, was sich privat für sie ändern wird. Aber die Jungs haben ihr Fußballleben beeinflusst. Sie können jetzt zu großen Klubs wechseln.“
Island sogar als Europameister denkbar?
Im ersten Moment hört es sich sehr unwirklich an: Island ist der neue Fußball Europameister. Doch wie wir alle wissen, kommt es alle zwölf Jahre zu einer dicken EM-Sensation:
- 1992 wurde Dänemark Europameister
- 2004 Griechenland
Warum also nicht 2016 Island? Immer mehr Experten trauen der Mannschaft diesen großen Coup zu. Bereits in der Qualifikation setzte das Team Zeichen und sorgte dafür, dass die Niederländer sich die EM nur im Fernsehen anschauen können. Eine weitere Überraschung gegen den Gastgeber Frankreich ist nicht ausgeschlossen, wir alle haben das Spiel gegen die hoch favorisierten Engländer gesehen – so etwas ist wiederholbar. Foto: shutterstock/Bildnummer:339132698-Urheberrecht: MediaPictures.pl