Die eigentlichen Hintergründe sind noch unbekannt
Artikelinhalt
- 1 Die eigentlichen Hintergründe sind noch unbekannt
- 1.1 Platini beteuert, für sein Geld wirklich gearbeitet zu haben
- 1.2 Der neue FIFA-Präsident wird wie geplant am 26. Februar gewählt
- 1.3 Was, wenn die Befristung ausläuft?
- 1.4 Platini und seine Rolle bei der Stimmensammlung in Europa
- 1.5 Wie könnte es sich tatsächlich zugetragen haben?
- 1.6 Unter den Fußballexperten regt sich jedenfalls Unmut
Aktuell spielen die Vorschriften der Ethik-Untersuchungskammer Platini noch in die Karten. Öffentliche Bekanntmachungen über Fortkommen und Ermittlungsergebnisse sind schlichtweg nicht erlaubt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist jedoch eine entsprechende Vorschriftenänderung in der Mache, die es ermöglichen soll, derartige Ergebnisse für die Öffentlichkeit zugänglich werden zu lassen. Klar ist nur, dass Platini mit dem Korruptionsskandal um den Schweizer Blatter in Verbindung gebracht wird. Die Schweizer Bundesanwaltschaft hat Platini zum gegenwärtigen Zeitpunkt wohl nur als Auskunftsperson auf dem Schirm. Dennoch wurde er gemeinsam mit Blatter am 08. Oktober dieses Jahres vorerst für 90 Tage aus dem Verkehr gezogen. In dieser Zeit hat er sich von sämtlichen Fußballaktivitäten fernzuhalten. Eventuell kann diese Frist auch noch einmal um weitere 45 Tage verlängert werden. Es soll nun erstmal ausführlich geklärt werden, was es mit der fraglichen Zahlung von Blatter an Platini in Höhe von 2 Millionen Franken auf sich hatte.
Platini beteuert, für sein Geld wirklich gearbeitet zu haben
Etwas fad der Beigeschmack, den die eigene Aussage Platinis hat. Der Zeitung Le Monde berichtet der angeschlagene UEFA-Chef, für das Geld in Höhe von umgerechnet 1,8 Millionen Euro in den Jahren 1998 bis 1999 tatsächlich gearbeitet zu haben. Soll an dieser Stelle nun der Applaus der Leserschaft folgen? Ist es denn unter Kuriositäten zu verbuchen, dass ein FIFA-Chef für sein Geld auch Arbeit verrichtet? Einen schriftlichen Vertrag jedenfalls soll es nicht gegeben haben. Im Rahmen seiner „Arbeit“ hat er wohl auch herausgefunden, dass nach Schweizer Recht ein mündlicher Vertrag ebenso Gültigkeit entfaltet, wie ein schriftlicher Vertrag. Für diesen Rechercheaufwand soll an dieser Stelle einmal ein dickes Lob ausgesprochen werden. Vielleicht hätte es aber auch Sinn gemacht, sich die einschlägigen Vorschriften zum Thema Korruption etwas mehr zu Gemüte zu führen. Schnell hätte der FIFA-Chef gemerkt, dass an diesem angeblichen Vertragsverhältnis ein entscheidender Punkt hinkt: nämlich die Rechtmäßigkeit. Zu allem Übel hat Platini diesen in Rede stehenden Betrag auch noch erst neun Jahre später ausgezahlt erhalten – also als er bereits verjährt war. Es ist wohl nur auf die dicke Männerfreundschaft zwischen Blatter und Platini zurückzuführen, dass letzterer die Summe nicht gerichtlich gegen seinen Kumpel geltend gemacht hat, obwohl seine „Vergütung“ ja bereits fällig geworden sein dürfte, nach mehr als neun Jahren des Wartens. Besonders glaubwürdig ist die Erklärung Platinis jedenfalls nicht. Sie scheint nur ein weiterer Tropfen auf den heißen Stein zu sein, der wieder verdampft ist.
Der neue FIFA-Präsident wird wie geplant am 26. Februar gewählt
Platini hatte sich noch kurz bevor er durch die FIFA-Ethikkommission gesperrt wurde, als Nachfolger für den hinkenden Blatter beworben. Mit Blick auf die aktuelle Ermittlungslage wird seine Bewerbung jedoch ins Leere laufen – er dürfte schon den Integritätscheck nicht bestehen. Ungeachtet dessen hat die FIFA nun auch entschieden, am Wahltermin festzuhalten. Eine Neubesetzung ist von großer Dringlichkeit und kann nicht weiter verschoben werden. Die Bewerbungsfrist endet am 26. Oktober.
Was, wenn die Befristung ausläuft?
Kann ein derart lädierter Funktionär noch Transparenz und Vertrauen liefern? Wohl nicht. Denn selbst wenn sich der Verdacht nicht bestätigt, steht noch immer im Raum, ob einfach die Ermittlungen nicht tiefgreifend genug geführt worden sind, um Platini aus seinem Posten zu heben. Vielleicht bedient er sich auch – wie einige seiner Freunde – wieder einmal dem Mittel der Korruption. Wer soll auch wissen, ob er nicht Vertraute in den Ermittlungskreisen hat, die gegen ein hübsches Sümmchen von einer strafrechtlichen Verfolgung absehen würden. Der erste Fall dieser Art wäre es auf jeden Fall nicht. Auch in Anbetracht der Tatsache, dass Korruption wohl allem Anschein nach zum guten Ton beim Weltfußball gehört, wird eine solche Handhabung wieder wahrscheinlicher. Weil aber selbst die UEFA sich in Schweigen hüllt und keinerlei Wertungen zum Korruptionsskandel abgibt, ist es nicht zu erwarten, dass sie ihren Chef in nächster Zeit aus dessen Büro manövrieren werden. Die Chefetagen des DFB, der FIFA und der UEFA bezeichnen sich selbst als Freunde, unter Freunden wird es Suspendierungen ohne amtliche Verurteilungen wohl eher nicht geben. Bis heute hält die UEFA zu ihrem bröckelnden Chef – trotz der Korruptionsvorwürfe. Zuletzt haben die 54 Verbände der UEFA ihrem Franzosen noch vollstes Vertrauen zugesichert. Infantini, UEFA Generalsekretär, dazu: “Wir unterstützen Michel Platinis Recht auf einen gerechten Prozess, auf ein gerechtes Verfahren und sein Recht, seinen Namen reinzuwaschen. Wir appellieren eindringlich an alle Instanzen, die beteiligt sind, schnell zu arbeiten und sicherzustellen, dass es bis spätestens Mitte November 2015 eine abschließende Entscheidung gibt.” Diese Position dürfte ja aller Ehren wert sein, doch sind die übrigen UEFA-Mitglieder dem falschen Pferd aufgesessen? Gehen mit ihnen vielleicht sogar die Pferde durch? Angesichts der Rolle Platinis, um in Europa Stimmen für Blatter einzufangen, dürfte das Pferd wohl bald eine andere Gangart einschlagen.
Platini und seine Rolle bei der Stimmensammlung in Europa
Zentrum allen Ärgernisses ist die Bewerbung Blatters um seine vierte Amtszeit als FIFA-Präsident im Jahr 2011. Kurz zuvor soll den Berichten zufolge Platini die Zahlung von 2 Millionen Franken erhalten haben, die auch erst in diesem Zuge als Geldbetrag in der Bilanz auftauchte. Als Rückstellung für den mit Blatter geschlossenen Vertrag, der mehr als neun Jahre zurücklag, ist dieser Wert nie aufgetaucht. Dieser Umstand nährt natürlich den Verdacht, Platini habe hier Gelder in Empfang genommen, die keiner tatsächlichen – oder besser gesagt rechtskonformen – Gegenleistung bedurften. Ein Bestechungsgeld eben – um für Blatter in Europa auf Stimmenfang zu gehen und ihm eine weitere Amtszeit bei der FIFA zu bescheren.
Wie könnte es sich tatsächlich zugetragen haben?
Seitens Platini und Blatter ist es natürlich erst einmal ein Leichtes, darauf zu verweisen, man habe einen mündlichen Vertrag geschlossen. Kann man dann am besten noch verrichtete Arbeiten mit dem angeblichen Vertrag in Verbindung bringen, die schwer nachweisbar sind – vielleicht auch Freundschaftsdienste im Amt, wird es für Außenstehende schwer, zu erfassen, ob es sich hier nun um die Wahrheit handelt oder nicht. Die Zeichen jedenfalls stehen schlecht für die ehemaligen Würdenträger des weltweiten Fußballs. Wird Platini nicht nachweisen können, dass es einen mündlichen Vertrag als Grundlage für die Zahlung in Höhe von 2 Millionen Franken gab, stehen die Chancen gut für die Ermittler. Mit dem nötigen Blick für die Realität wird sich wohl nicht vermeiden lassen, dass selbst Außenstehende auf das Ergebnis kommen, Platini habe sich seinen Stimmenfang innerhalb Europas von Blatter gut bezahlen lassen. Die Indizien sprechen jedenfalls dafür. Wie es unter Freunden so üblich ist, dürfte Blatter seinen Kumpel Platini bei einem Gläschen Wein nebenbei darum gebeten haben, ihm ein bisschen zu helfen, schließlich mache ihm sein Amt als Präsident der FIFA ja großen Spaß. Welcher Freund kann da denn auch nein sagen? Weil Platini in Europa natürlich auch einen illustren Kreis zu seinen Freunden zählt, haben die natürlich gern eingewilligt, ihre Stimme dem Amtierenden zu schenken. Ob bei diesen Freundschaften wohl auch mündliche Verträge geschlossen worden sind? Vielleicht ist es ja Usus, derartige Verbindungen mit Verträgen zu krönen, die später als angebliche Beweismittel dem Druck der Ermittlungen standhalten sollen.
Unter den Fußballexperten regt sich jedenfalls Unmut
Michael Vesper, Vorstandschef des Deutschen Olympischen Sportbundes gibt zu bedenken, dass Platini – egal, wie das Verfahren letztlich für ihn ausgehen wird – keine große Zukunft im Weltfußball mehr winken wird. Der Karren ist quasi ausgefahren, vor die Wand gesetzt und lässt sich nicht mehr reparieren. Auch der Umstand, dass Platini bisher nicht eine eindeutige und realistische Erklärung geliefert hat, ist für ihn problematisch und lässt Forderungen nach seinem Rücktritt lauter werden. Die Aussitzungstaktik Platinis, führt nicht zur Klärung der Korruptionsvorwürfe – im Gegenteil, sie werden dadurch nur noch weiter in die Länge gezogen. Der weltweite Fußball benötigt aber gerade jetzt wieder klare Strukturen und Menschen an seinen Führungsetagen, denen der Erfolg und die Klasse der Branche wichtiger sind, als die eigenen Kassen um weitere Millionen mit betrügerischen Geschäften zu füllen.
Platini hat sich auch in der Vergangenheit immer wieder dem Verdacht der Korruption ausgesetzt gesehen
Für alle die, die es vergessen haben:
- Bereits zur Wahl als Präsident der UEFA mehrten sich die Stimmen, hier sei etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen. War es eventuell gar kein Zufall, dass sich hauptsächlich die Verbände Osteuropas für dessen Amt ausgesprochen haben und nur kurze Zeit später die Wahl auf Polen und die Ukraine als Gastgeber für die Europameisterschaften 2012 fiel?
- Beispielsweise wurden zufälligerweise die Musikstücke für die UEFA Europe League an den Schweigersohn von Platini, Johann Zveig verteilt. Soll auch dieses Vorgehen ein reiner Zufall gewesen sein oder will uns hier ein Funktionär an der Nase herum führen?
- Soll es nun auch ein Zufall gewesen sein, dass urplötzlich ein Zahlungseingang von 2 Millionen Franken in der Bilanz der UEFA auftaucht, ohne dass hierfür jemals Rückstellungen in den Vorjahren gebildet worden sind?
Aus unserer Sicht ein paar zu viele Zufälle für einen Menschen.
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