Rodschenkow, der russische Whistleblower
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IOC-Präsident Thomas Bach meint, dass ein solcher Ausschluss von russischen Athleten durchaus legitim und denkbar wäre. Als Grundlage gelten derzeit die Vorwürfe gegen Russland während der Winterspiele 2014 in Sotschi. „Die Teilnahme der russischen Athleten an den Olympischen Spielen in Rio 2016 hängt auch stark von den Ergebnissen der WADA-Untersuchung ab“, schrieb er in einem Beitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung.“ Als Auslöser für den Skandal dient ein mutmaßliches Geständnis des ehemaligen Leiters des Moskauer Anti-Doping-Labors, Gregori Rodschenkow. Er hatte gegenüber der „New York Times“ ausgesagt, dass er die systematische Manipulation im russischen Team während der Sotschi-Spiele mitorganisiert habe. Er behauptet außerdem, dass 15 der russischen Medaillengewinner in Sotschi gedopt gewesen sein sollen. Allerdings gibt es hierfür noch keine unabhängigen Beweise.
Neue Ermittlungsgruppe nimmt die Arbeit auf
Nun soll eine eigene Ermittlergruppe der WADA diesen Vorwürfen nachgehen. Der frühere Offizier der französischen Gendarmerie und Interpol Agent Mathieu Holz soll die Ermittlungen leiten. Außerdem befinden sich auch unabhängige Experten und Wissenschaftler in dem Team.
- „Nach Ende der Untersuchung wird die WADA einen umfassenden Bericht veröffentlichen und die dazugehörenden Belege zugänglich machen“
, teilte die Anti-Doping-Agentur mit. Wenn sich aus den Ermittlungen Hinweise auf ein „organisiertes und flächendeckendes Doping-System“ ergeben, dann stünde das IOC vor einer wahrlich schwierigen Aufgabe. Dann wären auch verschärfte Regeln für russische Athleten möglich. „Es müsste geprüft werden, ob in derart ‘kontaminierten’ Verbänden die Unschuldsvermutung für Athleten aufrechterhalten oder die Beweislast umgekehrt werden kann“, schrieb der IOC-Chef. Dann müssten die Betroffenen nachweisen, dass ihre vorgenommenen Doping-Tests nach international anerkannten Regeln abgelaufen sind.
US-Justiz ermittelt ebenfalls
Doch nicht nur das IOC und die WADA beschäftigen sich mit dem Fall. Inzwischen ermittelt auch die US-Justiz wegen des Verdachts auf eine Verschwörung oder Betrug, wie die „New York Times“ berichtet. Die Zeitung beruft sich dabei auf zwei Quellen, die in den Fall involviert sein sollen, nennt allerdings keine Namen. Neben russischen Regierungsoffiziellen, Athleten, Trainer und Anti-Doping Verantwortliche steht auch der Informant Rodschenkow dem Bericht zu Folge unter Beobachtung.
Russland reagiert verstört auf die Ermittlungen der USA
Die Reaktionen aus Russland ließen nicht lange auf sich warten. Vor allem die Berichte bezüglich der US-Ermittlungen sorgten für Irritationen. „Ich würde den USA empfehlen, sich mit der eigenen Nationalmannschaft zu beschäftigen – dort gibt es auch Probleme“, so der russische Sportminister Witali Mutko. Kreml Sprecher Dmitri Peskow sehe darin einen weiteren Versuch Washingtons, die Zuständigkeit US-amerikanischer Gerichte auf andere Länder auszudehnen. Peskow betonte aber auch der russische Wille zur Zusammenarbeit mit den internationalen Ermittlern. Jedoch sei in diesem Zusammenhang sehr wichtig, dass weiterhin die Unschuldsvermutung gelte. „Wir sind der starken Überzeugung, dass Athleten, die jahrelang für die Olympischen Spiele trainiert haben, nicht das Recht abgesprochen werden darf, daran teilzunehmen.“
Sportminister zur Zusammenarbeit bereit
Der russische Sportminister Wiltali Mutko versucht indes, die Wogen zu glätten. In einer Stellungnahme der englischen Zeitung „Sunday Times“ zeigte er sich „sehr traurig“ darüber, dass russische Sportler betrogen haben und entschuldigte sich dafür. Jedoch sagte er auch sehr deutlich, dass er einen Olympia-Ausschluss russischer Athleten für „unfair und unverhältnismäßig“ hält. Schließlich würden dadurch auch andere Sportler bestraft. „In anderen Bereichen des Lebens würde so etwas nicht passieren“, schrieb er. Mutko machte die Sportler, Trainer und den Leichtathletik-Verband RUSAF für die Probleme verantwortlich. Diese hätten „schwerwiegende Fehler“ gemacht. „Um es ganz klar zu sagen: Wir schämen uns dafür”, schrieb Mutko: „Es tut uns leid, dass wir Athleten, die versucht haben, uns und die Welt zu betrügen, nicht früher überführt haben.“
Mutko nennt das Doping Problem „Global“
Der Sportminister ging aber noch einen Schritt weiter. Denn er sehe nicht ein, warum das Doping Problem nur auf Russland reduziert werde. Es handele sich vielmehr um ein globales Dopingproblem. Er führte als Beleg mehrere Beispiele an:
- Kenia hat erst in den vergangenen Wochen ein Anti-Doping-Gesetz verabschiedet
- In China ist das Doping-Kontrolllabor in Peking suspendiert worden
- Es gab TV-Berichte über Doping Fälle in Großbritannien und in den USA
„Es wäre ungerecht, Änderungen und Maßnahmen zu verlangen, sie mit anzusehen und dann Russlands Athleten zu bestrafen“, meinte Mutko. „Wir werden alles Menschenmögliche tun, um sicherzustellen, dass unsere Athleten Teil von sauberen, fairen und packenden Olympischen Spielen in Rio de Janeiro werden“, erklärte der Sportminister.
Hajo Seppelt fordert den Ausschluss Russlands von Olympia und mehr
Natürlich polarisiert dieser Konflikt. So gibt es auch Meinungen von Leuten, die Russland strenge Sanktionen auferlegen wollen. So sagte der Experte für Dopingproblematik Hajo Seppelt gegenüber der „Tagesschau“: „Also ich glaube, diese Tragweite ist so einmalig, so groß, dass es nur eine Konsequenz geben kann, man darf nicht nur die russischen Leichtathleten in Rio nicht an den Start gehen lassen. Der russische Sport muss – bis auf Weiteres, wenn sich diese Vorwürfe erhärten – von allen olympischen Wettbewerben ausgeschlossen werden. Eigentlich müsste man Russland auch sonst von allen sportlichen Großereignissen bis auf Weiteres ausschließen. Denn hier ist so massiv die Glaubwürdigkeit des Sports erschüttert worden, hier ist so massiv in die Integrität des sportlichen Wettbewerbs offenbar eingegriffen worden, dass eigentlich keine andere Alternative bleibt. Ich würde sogar noch weiter gehen, wenn ich ganz klar sage, das ein Land, dass die Grundlagen des fairen Miteinanders des Sports auf so elementare Art und Weise – offensichtlich vom Staat auch noch gestützt – verletzt, so ein Land kann eigentlich auch nicht die Fußball-Weltmeisterschaft im Jahr 2018 ausrichten.“ Foto: shutterstock/Bildnummer:408558979-Urheberrecht: A.RICARDO