Glasgow Rangers bereits wieder reif für Titel?
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Diese Leidenszeit des Clubs und auch für die Attraktivität der schottischen Liga ist jetzt vorbei. Aber ist dem wirklich so? Kann ein Aufsteiger gleich wieder ins Titelrennen einsteigen? Alles rund um die nun beendeten vier Jahre Leidenszeit und die Aussicht auf die kommenden Saisons im schottischen Fußball im Folgenden.
Wie kam es, dass man im europäischen Fußball inzwischen nicht mehr vom Schreckgespenst der “spanischen Verhältnisse”, sondern der “schottischen Verhältnisse” sprach, wenn es darum ging, einschläfernde Langeweile und Konkurrenzlosigkeit eines Clubs in einer Liga ein passendes Etikett anzukleben? Der protestantisch geprägte Verein der Glasgow Rangers hatte sich zuvor seit Jahrzehnten eine dauerhafte nicht allein sportliche Fehde mit dem Lokalrivalen Celtic geliefert, der irisch-katholisch geprägt war und ist. Die Attraktivität dieser beiden Clubs für viele fußballinteressierte Schotten führte dazu, dass die beiden immer größer werdenden Clubs seit Jahren die Meisterschaft unter sich ausmachten. Seit 1986 war kein anderer Club in Schottland mehr Meister geworden als Celtic oder die Rangers. Letzter Ausreißer war der FC Aberdeen 1985 mit seinem Titel unter einem gewissen Alex Ferguson als Trainer, damals noch kein “Sir”.
Von spanischen zu schottischen Verhältnissen in Glasgow
Im Prinzip bestanden also schon lange “spanische Verhältnisse”, wie man sie ursprünglich meinte, im schottischen Fußball. Nämlich dass realistisch betrachtet nur genau zwei Clubs – früher eben Real Madrid und der FC Barcelona, was so noch nie der Realität entsprach – in einer Liga Meister werden können. In Schottland war das aber tatsächlich der Fall, schon seit Jahrzehnten nur Celtic oder Rangers. Höhepunkte jeder Saison waren die Derbyspiele zwischen den Rangers und Celtic, eine Begegnung, die man hier irrtümlicherweise (siehe weiter unten) als “Old Firm” bezeichnet. Nach einer Änderung des Modus in der schottischen Liga trafen die beiden Clubs mindestens vier Mal in einer Saison aufeinander, dazu noch im Pokal oft weitere Male. Höhepunkte und Lebenselixier des schottischen Fußballs – in dessen Schatten sich aber nicht anderes von Rang entwickeln konnte. Schon rein in Bezug auf die Einwohnerzahlen kann kaum eine der übrigen Städte mit Schottland mit Glasgow mithalten, das zeigte sich dann auch im Fußball überdeutlich.
Rund ums “Old Firm”, wie das Derby in Glasgow tatsächlich gar nicht heißt
Das “Old Firm”, wie es nur vermeintlich heißt, war zur alles beherrschenden Paarung im schottischen Fußball geworden. Überbordende Rivalität auch aus politischen bzw. religiösen Gründen tat ihr Übriges dazu. Vor allem aber blickte die restliche Fußballwelt eigentlich nur noch aus Anlass des “Old Firm” nach Glasgow bzw. nach Schottland zum Fußball.
Um die Bezeichnung dieses Derbys ranken sich einige Mythen, mit denen das Fußballfachmagazin 11Freunde zumindest zum Teil aufräumt:
“Was auch immer deutschsprachige Internetquellen behaupten mögen, [der Ausdruck] bezeichnet weder das Derby selbst noch die Rivalität der beiden Klubs. Und ”Firm“ ist auch nicht vorrangig im Sinne von ”fest, beständig“ zu verstehen, sondern steht in der Tat für eine Firma. ”Das beste Synonym ist wohl “’Das Monopol’“, sagt der Glasgower Alex Anderson, der ein Buch über die Rangers geschrieben hat. ”Der Ausdruck wurde schon 1904 geprägt, um deutlich zu machen, dass die beiden Vereine den Markt untereinander aufgeteilt hatten.”
Rangers’ Insolvenz und die folgende Leere in der Liga
Eine echte Marke war und blieb diese Begegnung dennoch auf lange Zeit. Ehe es auf einmal von der Bildfläche verschwunden war. Denn urplötzlich ereignete sich zumindest für Außenstehende die Insolvenz der Glasgow Rangers. Drohende Steuernachzahlungen und einhergehende Strafen hatten sich auf über 58 Millionen Pfund summiert. Die Betreibergesellschaft ging in die Insolvenz, nicht der Verein selbst, auch wenn das vielerorts heute noch verwechselt wird. Und das bedeutete, dass die Glasgow Rangers in der vierten schottischen Liga einen Neuanfang bewältigen mussten. Ab der Saison 2012/13 spielte man gegen Clubs wie Annan Athletic oder die Berwick Rangers, die selbst schottischen Fußballfans nicht immer ein Begriff waren.
Zunächst folgten zwei direkte Aufstiege in die nächsthöhere Klasse. In der zweiten schottischen Liga musste man aber noch eine zusätzliche Ehrenrunde einlegen, nachdem man in den Playoffs zum Aufstieg scheiterte. Dann aber, Anfang April 2016, war es endlich wieder soweit. Den Rangers aus Glasgow gelang die Rückkehr ins schottische Oberhaus, wie nicht nur Spiegel Online berichtet:
“Vier Jahre nachdem sie aufgrund hoher Schulden Insolvenz anmelden mussten und in die vierte Liga verbannt worden waren, reichte ein 1:0-Sieg gegen Dumbarton, um die Rückkehr in die erste Liga perfekt zu machen.”
Die beeindruckende Arbeit der Social-Media-Abteilung der Rangers feierte das natürlich ebenso gebührend, u. a. mit diesem Tweet:
FT: @RangersFC 1:0 @DumbartonFC – It’s all over at Ibrox and the famous Glasgow Rangers are Championship champions. pic.twitter.com/xeH9Cb1mos
— Rangers FC (@RangersFC) 5. April 2016
Aufatmen also bei den Rangers, die bei Auswärtsspielen endlich nicht mehr über die Dörfer der Highlands tingeln müssen. Aufatmen aber auch beim Erzrivalen Celtic Glasgow, der mit der Rückkehr der Rangers endlich wieder etwas mehr Sinn in seiner Teilnahme am schottischen Ligabetrieb finden kann.
Die Lücke ist nach vier Jahren wieder geschlossen
Allzu groß war schließlich die Lücke gewesen, die der Wegfall dieser Partie und der Rivalität zu den Rangers in die Dramaturgie der Scottish Premier League gerissen hatte. In dieser Phase war der Begriff “schottische Verhältnisse” zum Synonym dafür geworden, dass nur noch ein einziger Club in einer Liga Meister werden kann. In dem Fall waren das nun vier Jahre am Stück Celtic. Welchen diese enorme Lücke bei gleichzeitiger gähnender Langeweile und einem spannungslosen Vor-sich-hin-Kicken nun mal ebenso wenig gefallen konnte wie dem schottischen Fußballverband.
Nun ist der große Rivale endlich zurück auf der nicht ganz so großen Bühne der schottischen Liga. Diese hat ihr wichtigstes Derby zurück und darf wieder etwas positiver in die Zukunft blicken. Selbst wenn die Rangers zunächst nicht um die Meisterschaft werden mitspielen können – die Atmosphäre und allgemeine Aufmerksamkeit bei diesen Derbys wird sofort wieder vorhanden sein und enorm viel Begeisterung bewirken.
Wie nicht zuletzt ein Duell, wie es das Los so wollte, Mitte April 2016 zeigte. An jenem Wochenende trafen sich die Rangers und Celtic im Halbfinale des schottischen Pokals, ganz in alter Manier vor ausverkauftem Haus und mit einem dramatischen Spiel. Welches, siehe da, der Underdog namens Rangers, aktuell schließlich immer noch Zweitligist, im Elfmeterschießen für sich entschied. Ob die gesamte schottische Meisterschaft von nun an wieder offen ist, ist für den schottischen Fußball also zunächst mal gar nicht so entscheidend. Essenziell ist, dass das Derby zwischen Celtic und Glasgow überhaupt wieder regelmäßig stattfinden wird. Diese alleine bürgen für Spannung, mindestens vier Mal in der Saison, auch wenn es sportlich bzw. finanziell noch einige Zeit lang zu Ungleichheiten kommen mag. Und im restlichen Europa hat man wieder häufiger Anlass, nach Schottland zum dortigen Fußball zu blicken.
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