Russ: Schockdiagnose Krebs
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Für manche, die in ihrem ganzen Leben noch nie ernstlich krank gewesen sind, oder Krieg und Hunger leiden mussten, ist Fußball der Lebensmittelpunkt. Zu dieser Kategorie zählte auch Marco Russ. Geboren 1985 wuchs Russ in einfachen Verhältnissen auf und schaffte es über den Sprung VfB Großauheim zu Eintracht Frankfurt, wo er sich den Traum unzähliger Kinder und Jugendlicher erfüllte und Fußballprofi bei Eintracht Frankfurt wurde. Ein knallharter Verteidiger, der aber auch die finanziellen Vorzüge eines Fußballprofis durchaus zu schätzen wusste. Ein Draufgänger, der immer auch mal für eine Eskapade gut war und sorglos in den Tag lebte.
Aber dass es auch für Profi-Fußballer viel, viel Wichtigeres gibt als das nächste Training, das nächste Spiel, der nächste Vertrag usw., musste Marco Russ am 19. Mai 2016 auf ganz bittere Art und Weise erfahren. Es war nicht nur ein Schicksalstag für Eintracht Frankfurt, die genau an diesem Tag in der Relegation ihr Hinspiel gegen den 1. FC Nürnberg bestritten und um den Klassenerhalt und somit das sportliche Überleben spielen musste. Nein, denn auch für Russ begann an diesem Tag der Überlebenskampf.
Beim 31-Jährigen wurden wenige Tage vor dem imminent wichtigen Spiel ein dramatisch erhöhter Wert eines Wachstumshormons festgestellt, was vorerst fälschlicherweise und vielerorts als Dopingverdacht interpretiert wurde. In der sofort veranlassten Untersuchung im Krankenhaus wurde ein Tumor festgestellt und er bekam die schlimme Diagnose: Russ hatte Hodenkrebs!
Aus Abstiegskampf wird Überlebenskampf
Dennoch wollte der völlig unter Strom stehende Russ unbedingt gegen Nürnberg spielen und es kam knüppeldick für den Verteidiger. Wie in einem schlechten Hollywood-Film unterlief Russ prompt ein Eigentor. Es sollte sein vorerst letztes Spiel sein und und Russ ließ sich von Eintracht Frankfurt befreien. Denn statt Abstiegskampf, den die Eintracht ohne ihren Abwehr-Routinier erfolgreich meistere, musste er sein Leben retten.
Die Behandlung begann und Russ musste sich neben einer Operation auch zwei Chemotherapien unterziehen. Im Kampf um Leben und Tod sind ihm aufgrund der Chemo die Haare ausgefallen, doch neben der optische Verwandlung begann auch eine persönliche Verwandlung im Leben von Marco Russ. Denn vor der Krebsdiagnose hatte Russ Eheprobleme, aber die Familie rückt in dieser schweren Zeit wieder stark zusammen und durchstehen gemeinsam die bangen Wochen des Wartens, wo das Leben des Fußballers in Gefahr war.
Russ von Krebserkrankung genesen
Aber ein Glück gibt es ein Happy-End: Marco Russ hat nicht nur den Kampf gegen den Krebs gewonnen und erklärte erst vor wenigen Tagen “ich bin wieder gesund”, sondern der Verteidiger erhielt am letzten Mittwoch die Nachricht, er könne in Zukunft wieder seinem Beruf als Fußballer ausüben. Russ überbrachte dem Verein die frohe Kunde höchstpersönlich und sorgte im gesamten Klub für pure Freude, die auch ins aktuell sportlich so schöne Bild von Eintracht Frankfurt passt. Schließlich liegt der Fast-Absteiger der Vorsaison nach acht Spieltagen auf einem bärenstarken 7. Platz und mischt mit 14 Punkten (4 Siege, 2 Unentschieden, 2 Niederlagen) im Kampf um die Europapokalplätze mit.
“Wir freuen uns alle sehr über die Nachricht von Marco. Er war bei uns und hat die Nachricht übermittelt. Es gibt doch nichts Schöneres, als wenn jemand wieder gesund ist”, erklärte SGE-Trainer Niko Kovac letzte Woche auf einer Pressekonferenz vor dem Auswärtsspiel beim Hamburger SV. “Er hat die Erlaubnis der Ärzte, wieder seinem Beruf nachzugehen, und wird mit der Reha beginnen. Jetzt muss er erst einmal konditionell nach oben kommen. Er möchte aber so nah wie möglich bei der Mannschaft sein, er möchte schon mit nach Hamburg.”
Dort wurde Marco Russ Zeuge eines überzeugenden 3:0-Erfolgs seiner Mannschaft!
Russ-Comeback: Wie ist der Zeitplan?
Doch wie sehen die Comeback-Pläne von Russ aus? Natürlich wird es noch eine ganze Weile dauern, bis der 31-Jährige wieder Leistungssport betreiben kann. Aber allein schon die Tatsache, dass er überhaupt wieder in den Profi-Sport zurückkehren kann, war alles andere als selbstständig. Wenngleich er während seiner gesamten Krebsbehandlung sein Kämpferherz unter Beweis stellte.
“Ich habe nach der Diagnose und während der Behandlung nie ans Aufhören gedacht. Ich freue mich auf den Tag, an dem ich wieder auf dem Platz stehen und spielen kann. Ich hoffe, dass ich in der Rückrunde wieder soweit hergestellt bin, dass ich eine Option für unseren Trainer und die Eintracht sein kann”, erklärte Russ.
Russ wird mit Unterstützung der beiden Eintrach-Athletiktrainer Klaus Luisser und Martin Spohrer natürlich behutsam auf einen körperlichen Normalzustand gebracht. In den zweieinhalb Monaten bis zur Winterpause muss er eine Menge aufholen, damit sein Plan einer Teilnahme am Trainingslager in Abu Dhabi auch Realität wird. Doch trotz der ambitionierten Ziele, arbeitet Russ gewissenhaft an seinem Comeback. “Ich kann wieder ein bisschen joggen. Ich mache Yoga, spiele Tennis. Alles ganz entspannt. Das wird seine Zeit brauchen, und es wird auch Rückschläge geben.”
Vertragsverlängerung machte Russ glücklich
Worüber sich Marco Russ besonders gefreut hat, war die Vertragsverlängerung bis 2019, die Eintracht Frankfurt Mitte September perfekt gemacht hat. Schließlich wäre der alte Kontrakt nach dieser Saison ausgelaufen. “Es ist eine tolle Geste des Vereins. Unser ehemaliger Vorstandschef Heribert Bruchhagen, Sportdirektor Bruno Hübner, Trainer Niko Kovac und Fredi Bobic haben mir immer ein gutes Gefühl gegeben. Ich bin wirklich sehr glücklich, die Eintracht hinter mir zu wissen.”
Über ein Stück Menschlichkeit im rauen Fußball-Business freut man sich doch immer ganz Besonders. Dabei hat Eintracht Frankfurt schon öfter in der Vergangenheit bewiesen, dass man fest hinter in Not geratene Spieler hält. Schon vor Russ hat der Klub aus der Mainmetropole bei den schwer verletzten Spielern wie Marc Stendera, Johannes Flum und Sonny Kittel die Verträge verlängert. Sehr löblich, zumal eine stabile Vertragssituation in jedem Fall die Genesung verletzter oder erkrankter Spieler positiv beeinflusst.
Nun Drücken wir Daumen, dass Eintracht Frankfurt ihren Liebling Marco Russ in dieser wieder auf dem Rasen begrüßen darf! Und wenn es erst in der nächsten Saison soweit ist, dann ist das kein Beinbruch. Schließlich weiß auch Russ, dass es wichtigeres als Fußball im Leben gibt! Foto: Shutterstock.com/Bildnummer:270409286/Urheberrecht: Andrey Yurlov