Vor der Fußball Weltmeisterschaft 2018 im eigenen Land will Russland die Fähigkeiten seiner Nationalmannschaft verstärkt mit Einbürgerungen erhöhen. Und den Worten sind bereits Taten gefolgt, denn mit Roman Neustädter hat Russland einen ehemals deutschen Spieler eingebürgert. Neustädter spielte bereits zweimal für die DFB-Auswahl, doch bei der Europameisterschaft 2016 in Frankreich wurde er in den russischen Kader geordert. Präsident Vladimir Putin höchstpersönlich hatte zuvor einer Einbürgerung des Schalker Innenverteidigers zugestimmt. Allerdings machte er bisher keine gute Figur bei dem Turnier – ein dritter Einsatz ist infrage gestellt.
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Der Weg zum russischen Staatsbürger: Roman Neustädters Wurzeln

Brisanterweise liegen die Wurzeln von Neustädter nicht in Russland, sondern in der Ukraine. Denn er wurde am 18. Februar in Dnipropetrowsk in der ukrainischen SSR geboren. Er kam erst 1992 mit seiner Familie nach Deutschland, weil sein Vater, Peter Neustädter, einen Vertrag als Profi beim KSC unterschrieb. Auch Roman begann früh mit dem Fußballspielen. Seine bisherigen Stationen sind

  • 1. FSV Mainz 05
  • Borussia Mönchengladbach
  • FC Schalke 04

Neustädter gilt als lauf- und zweikampfstark. Vor allem seine guten Ausdauerwerte werden geschätzt. Er verfügt über ein gutes Stellungsspiel, ist kopfballstark und kann sich schnell in bestimmte Spielsituationen hineinversetzen und entsprechend darauf reagieren. Dabei kommt er allerdings nicht immer publikumswirksam rüber und bleibt eher im Hintergrund, weshalb er häufig unterschätzt wird. So schrieb Richard Leipold in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über ihn:

„Im Koordinatensystem der Fußballtaktik besitzt Neustädter einen Blick für Raum und Zeit – und für Lücken, die es zu schließen gilt. Wenn er solch eine Lücke beim Gegner bemerkt, weiß er sich im Dienste der Mannschaft zurückzunehmen und seine Mitspieler in Szene zu setzen.“Roman_Neustaedter

Neustädter nach zwei EM-Auftritten in Russland in der Kritik

Die russische Nationalmannschaft konnte sich bisher bei dieser Europameisterschaft nicht gut verkaufen. Das Last-Minute Tor gegen England und das daraus resultierende 1:1 waren nicht unbedingt das, was man sich in Russland erhofft hat. Auch die Niederlage gegen die Slowakei passte natürlich nicht ins Konzept. Im Zentrum der russischen Medienkritik: Roman Neustädter.

„Neustädter hat kein Charisma und keine Kreativität“

meinte zum Beispiel die „Sowezkij Sport“ ohne Gnade.

Es wird sehr interessant, ob er nach einem schlechten und einem sehr schlechten Spiel aus der Mannschaft genommen wird“, hieß es weiter: „Neustädter kämpft nicht, spielt keine scharfen Pässe nach vorne. Was nutzt so ein eingebürgerter Spieler, wenn es in Russland fünf oder sechs auf dem gleichen Niveau gibt?“

Und tatsächlich: Erst als Neustädter ausgewechselt worden war, schaffte es die russische Mannschaft, mehr Leben auf dem Platz zu zeigen.

  • Beim Spiel gegen England ging Neustädter zehn Minuten vor Schluss
  • Im Spiel gegen die Slowakei in der Halbzeitpause

Es könnte also gut möglich sein, dass Neustädter seinen letzten Auftritt bei dieser EM bereits hinter sich hat, denn sollte er gegen Wales nicht zum Einsatz kommen und die Russen verlieren, dann geht es wieder nach Hause.

Neustädters Rolle in der Mannschaft

Eigentlich ist es ja ein wenig verwunderlich – da stand Neustädter noch nie mit dieser Mannschaft zusammen auf einem Platz, kennt eigentlich niemanden und soll plötzlich in diesem Team mitspielen. Nur ein Testspiel konnte er im Trikot der „Sbornaja“ absolvieren, bevor es zum Turnier nach Frankreich ging. Doch ganz offensichtlich hat er sich mit der Rolle des Neulings abgefunden und arrangiert.

„Das ist kein großes Problem gewesen. Ich spreche russisch, die anderen akzeptieren mich. Vor einigen Wochen kannte ich noch gar keinen, nun verstehen wir uns jeden Tag besser. Wir haben ein gutes Gerüst, einige Spieler kennen sich noch von der EM 2008. Diese Erfahrung kann ein großes Plus sein. Außerdem gibt es das eine oder andere Talent wie meinen Nebenmann im Mittelfeld, Alexandr Golovin. Er ist erst 19 und hat schon richtig was drauf.“

meint Neustädter zu diesem Thema nur. Seine Aufstellung in der Start-Elf war für ihn allerdings schon eine Überraschung:

„Ich habe etwas darauf spekuliert, nachdem unser etatmäßiger Sechser Denisov wegen einer Verletzung ausfiel. Der Trainer kam in der Vorwoche zu mir und fragte, ob ich auf dieser Position spielen könne. Ich sagte: »Na klar. Ich war zwar im letzten Jahr Innenverteidiger, aber davor jahrelang auf der Sechs.« Wir probierten es in zwei Trainingseinheiten, dann war am Tag vor dem Spiel klar, dass ich von Beginn an auflaufe.“

Neustädter und die Hooligans

Neustädter ist in Deutschland und nicht in Russland aufgewachsen. Das kommt auch durch, wenn es um die Reaktionen auf die Hooligan Angriffe russischer Fans in Marseille geht. Neustädter schreibt in seinem Internet-Tagebuch für Vive-Sport:

Klar, es ist Europameisterschaft, jeder ist verrückt nach Fußball und die Emotionen kochen hoch. Aber warum schlagen sich die Menschen dafür die Köpfe ein?“ Er scheint allerdings der einzige Spieler des russischen Teams zu sein, der einigermaßen kritisch mit diesen Dingen umgeht.

  • Einzelne russische Spieler
  • Funktionäre
  • und sogar Minister aus der russischen Regierung

Nehmen die Hooligans öffentlich in Schutz. So sagte der Stürmer Artjom Dschjuba:

„Die englischen Medien stellen die englischen Fans als Engel dar. Das ist wahrscheinlich politisch motiviert. Sie sprechen über die WM 2018 und dass sie Russland vielleicht weggenommen werden muss.“

Weitere Einbürgerungen

Im Übrigen ist Roman Neustädter nicht die erste Einbürgerung in Russland, die zugunssten des Sports gemacht wurde. Denn auch der Torwart Guilherme ist mit von der Partie. Der gebürtige Brasilianer, der seit 2007 bei Lokomotive Moskau zwischen den Pfosten steht, ist als Dritter im Bunde der Torhüter mit nach Frankreich gereist. Er nahm am 23. November 2015 die russische Staatsbürgerschaft an und wurde daraufhin für zwei Testspiele Russlands gegen Litauen und Frankreich nominiert. Er ist der erste eingebürgerte Nationalspieler Russlands. Der russische Sportminister Witali Mutk, der gleichzeitig auch Präsident des Fußballverbandes RFS ist, sagte:

„Selbstverständlich muss sich der russische Sport an den eigenen Ressourcen orientieren“

und betonte damit, dass Einbürgerungen die Ausnahme sein müssten.

Foto: wikimedia/Olaf Kozany

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