Herbe Niederlage für Wladimir Klitschko
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Gleich vier Weltmeistertitel hat Wladimir Klitschko am Samstagabend an seinen Herausforderer Tyson Fury verloren, es waren die Gürtel der Verbände
- WBA
- WBO
- IBF
Für den größten Teil der Zuschauer und der anderen Boxinteressierten kam das äußerst überraschend. Von Experten wurde Fury als chancenlos eingeschätzt. So wie es für ihn typisch ist, trat er provozierend auf und wirkte bewusst lässig. Vor 45.000 Zuschauern führte er Klitschko in der Esprit Arena vor. Klitschko verlor verdient, auch wenn ihm viele seiner Fans die Daumen gedrückt und mit ihm gefiebert haben und am Ende des Kampfes mindestens ein Quäntchen Mitleid oder Sympathie für ihn empfunden haben. Gegen Tyson Fury konnte Klitschko nicht ankämpfen, es fehlten ihm einfach die Mittel. Fury sorgte mit seinem Auftreten sicher nicht bei allen Boxfans für Sympathie, denn er hielt phasenweise die Hände auf dem Rücken und verhöhnte Klitschko. Der am Ende des Boxkampfes sichtlich gezeichnete Klitschko gab zu, dass Fury schneller und besser als er war. Klitschko fehlte die Schnelligkeit, er konnte die Schläge nicht treffen. Woran liegt das? Einerseits hat er Fury unterschätzt, wie er selbst zugibt, doch liegt es vielleicht auch daran, dass Dr. Steelhammer, wie Klitschko auch genannt wird, nicht mehr taufrisch ist? Fury bedankte sich bei Klitschko und sagte ihm, dass er ihm zeigen wollte, was er kann. Nach dem Kampf trällerte Fury „I don’t want to miss a thing“ von Aerosmith ins Mikrofon. Klitschko hatte so große Pläne, er wollte einen Ehrenplatz in der Schwergewichtshistorie ergattern und den legendären Joe Louis, der elf Jahre und acht Monate lang Weltmeister im Schwergewicht war, noch übertreffen. Wie es mit der Karriere von Wladimir Klitschko nun weitergeht, wird sich zeigen. Theoretisch ist noch alles möglich, denn Klitschko könnte nach zwei Aufbaukämpfen im dritten Kampf wieder Weltmeister werden und es dann mit dem WBC-Titelträger aufnehmen. Eines steht allerdings fest: Für seine Verlobte Hayden Panettiere, die ihn nach dem Fight tröstete, bleibt Wladimir Klitschko der Champion.
Boxclown mit großer Klappe
Tyson Fury hat bewiesen, dass er nicht nur eine große Klappe hat, sondern dass auch etwas dahintersteckt und dass er tatsächlich boxen kann. Wenig charmant äußerte er sich über Klitschko, dass dieser das Charisma einer Unterhose habe. Klitschko kündigte hingegen eine Therapie mit Fäusten an, doch der Doktor der Sportwissenschaften bekam schließlich eine Abreibung, schon kurz nach dem ersten Gong musste er einige Treffer kassieren. Schon ab der fünften Runde hatte er mit einer Wunde unter dem Auge zu kämpfen. Tyson Fury ist Klitschko schon körperlich in einigen Dingen überlegen:
- zwölf Jahre jünger als Klitschko; während Klitschko 39 Jahre alt ist, zählt Fury erst 27 Lenze
- acht Zentimeter größer als Klitschko; Fury misst 206 cm Körpergröße, während es Klitschko nur auf 198 cm bringt
- Fury ist 500 Gramm schwerer als Klitschko
Fury wurde in Manchester geboren und ist Sohn irischer Einwanderer; er trägt sein Herz auf der Zunge und sorgt so manches Mal für Verwirrung. Vor dem Fight am Samstag kritisierte er den Ringboden und drohte damit, dass er den Kampf platzen lassen wolle. Fury provoziert gerne, daher spaltet er die Gemeinde der Boxfans: Während einige ihn gerade deshalb mögen, können andere ihn überhaupt nicht ausstehen und kommen mit seiner provokanten Art nicht klar.
Tyson Fury: Ein Typ, der polarisiert
Durchgeknallt – dieses Prädikat beschreibt vielleicht am ehesten, wie Tyson Fury tickt. Von einigen Boxfans wird Fury inzwischen als würdiger Weltmeister bezeichnet, andere empfinden seine Blödeleien als peinlich für den Boxsport. Fury ist das ganze Gegenteil von Klitschko; er
- spaltet mit dem Kopf Wassermelonen
- singt im Ring
- bezeichnet seinen Körper als Gelee-Körper
Auf seinem Weg zum Weltmeister im Schwergewicht musste Fury schon einiges einstecken, doch hat er auch tüchtig ausgeteilt. Beobachter könnten sich die Frage stellen, ob ihm der Gegner oder er sich selbst einige seiner Gehirnzellen zerstört hat – normal ist Fury ganz sicher nicht. Wenn er nicht im Ring steht, schlägt er sich Gegenstände auf den Kopf. Hat er Appetit auf eine Wassermelone, benötigt er kein Messer, um sie zu zerteilen, denn das erledigt er mit dem Kopf. Seinen Körper bezeichnet Fury nicht als Modell-Body oder Adonis-Körper, denn wenn Fury eines nicht ist, dann ein Adonis. Er bezeichnet seinen Körper als so natürlich und wie Gelee wirkend. Fury spricht davon, dass es nicht möglich ist, dass Sportler, die einen Adonis-Körper haben, keine Drogen nehmen. Für Fury ist es typisch, dass er vor seinen Kämpfen provoziert, er selbst bezeichnet das als Psycho-Spielchen. Er sagt über sich selbst, dass er gern unorthodox und plump auftritt. Fury hat Gipsy-Wurzeln, seine Vorfahren entstammen der Volksgruppe der Irish Travellers, die mit den Sinti und Roma vergleichbar sind. Er bezeichnet sich deshalb als Gipsy Warrior – Zigeuner-Krieger. John Fury, der Vater von Tyson Fury, ist für seine Fähigkeiten im Boxen ohne Handschuhe, dem Bare-Knuckle-Boxen, bekannt. Er hat bereits eine Gefängnisstrafe wegen Körperverletzung abgesessen, denn nach einem Streit um eine Flasche Bier während einer Auto-Auktion büßte sein Kontrahent ein Auge ein, dafür wurde Vater Fury zu elf Jahren Gefängnis verurteilt, doch kam er bereits nach vier Jahren wieder frei. Der Vorname von Tyson Fury ist kein Zufall: Sein Vater wählte ihn, da er den Schwergewichts-Champion Mike Tyson verehrte.
Fury – ein streitbarer Christ
Fury dankte nach dem Sieg über Klitschko zuerst Jesus Christus, er bekennt sich öffentlich als Christ. In einem Interview sorgte er für Zündstoff, als er Homosexualität und Abtreibung mit Pädophilie verglich und als Anzeichen einer nahenden Apokalypse bezeichnete. Fury sagt, dass sein Glaube und seine Kultur auf der Bibel basieren und dass er den Inhalt der Bibel befolge. Schließlich ist Fury auch ein Familienmensch, er ist verheiratet, hat eine Tochter mit Namen Venezuela und einen Sohn mit Namen Prince. Seine schöne blonde Ehefrau heißt nicht nur Paris, sondern sie erinnert auch ein bisschen an Paris Hilton. Fury ist musikalisch, sein Repertoire ist breit gefächert. Er liebt unter anderem
- Rap
- Aerosmith
- Bette Middler
Er singt auch über Jesus.
Trash-Talk oder ernste Anschuldigungen?
Nach dem Boxkampf erhob Fury schwere Anschuldigungen gegen das Lager von Klitschko. Kaum jemand weiß so richtig, was er von den Anschuldigungen halten soll. Nach seiner Rückkehr in seine Wahlheimat Bolton sagte Fury, dass er Informationen aus sicherer Quelle erhalten habe, dass er im Umkleideraum kein Wasser anrühren sollte, denn es könnte mit Drogen versetzt sein. Aus Angst vor einem positiven Dopingtest sei Fury fast dehydriert, er bezeichnete Klitschko und dessen Betreuerteam als Betrüger. Darauf konterte der Klitschko-Manager Bernd Bönte, dass er nicht auf das eingehen wolle, was Fury redet, denn das sei nur Schmarrn. Die Esprit-Arena stellte das Wasser zur Verfügung. Natürlich ist dieser Schlagabtausch bei der Vermarktung des Rückkampfes mehr als willkommen. Als Termin für den Rückkampf wird schon der Mai 2016 gehandelt, doch Bernd Bönte ist der Meinung, dass es absurd sei, jetzt, wo der Kampf erst drei Tage zurückliegt, schon über einen Rückkampftermin zu reden.
Tyson Fury – albern, grotesk – eben ein Clown
Alle, denen der Boxzirkus zu trocken und zu verstaubt vorkam, werden sich freuen, dass Tyson Fury Weltmeister geworden ist, denn für frischen Wind in der Boxwelt sorgt er ganz sicher. Diejenigen, die hingegen immer die Seriosität und die besondere Atmosphäre im Rahmen der Boxkämpfe zu schätzen wussten, werden enttäuscht sein, da Fury albern und grotesk wirkt, wie er vor dem Fight gegen Wladimir Klitscho bewiesen hat. Fury provozierte, indem er
- den Einlaufsong mitträllerte
- zum Ring tänzelte
- Pirouetten drehte
Dabei tat Fury nichts anderes als sich in seiner provokanten Art treu zu bleiben. Er lieferte sogar ein Schauspiel auf einer Pressekonferenz vor dem Kampf mit Klitschko, indem er im Batman-Kostüm auf einen Joker-Statisten losging. Auf jeden Fall ist Klitschko unberechenbar. Fury hat vor dem Kampf mit Klitschko bereits 24 Auftritte im Profiboxen absolviert, doch bis auf Dereck Chisora war Klitschko bislang der einzige namhafte Gegner. Der Kampf mit Klitschko war der erste WM-Kampf für Fury. Bereits 18 Mal schaffte es Fury, seine Gegner durch K.o. niederzustrecken.
Fury – der neue Stern am Schwergewichtshimmel
Der neue Stern am Schwergewichtshimmel heißt nun Tyson Fury – er spaltet die Welt der Boxfans. Er ist noch jung und hat vielleicht noch eine beachtliche Karriere vor sich – boxen kann er, da ist es ihm durchaus zu wünschen, dass er erfolgreich ist und Titel holt. Nun drängt sich nur die Frage auf, ob der Stern auch weiterhin als Supernova flimmert oder ob er schon bald erlischt. Als Klitschko-Bezwinger und als Boxclown geht Fury auf alle Fälle in die Geschichte ein.
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