Versuche, dem Ex-Präsidenten das Handwerk zu legen
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Bereits mehrmals haben es die Mitarbeiter der Anti-Doping Abteilung des Leichtathletik-Weltverbandes Iaaf versucht, Lamine Diack, den früheren Präsidenten, davon abzuhalten, russische Doping-Fälle zu vertuschen. Sie wollten bereits den Start der Athleten bei den Olympischen Sommerspielen 2012 und bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2013 verhindern, wie aus einer Stellungnahme des Weltverbandes zum Bericht der unabhängigen Kommission der Welt-Anti-Doping-Agentur anlässlich des weitreichenden Doping-Skandals in Russland hervorgeht. Die Mitarbeiter der Ethik-Kommission der Iaaf sollen bereits im April 2014 die Ethik-Kommission des Leichtathletik-Weltverbandes über die verdächtigen Verzögerungen von Disziplinarverfahren gegen sechs Leichtathleten informiert haben, wie aus dem 35-seitigen Bericht der Iaaf hervorgeht. Ohne vorherige Benachrichtigung ihrer Vorgesetzten informierten sie etwas später auch den Internationalen Sportgerichtshof Cas darüber. Ex-Präsident Diack ist bereits in Frankreich wegen Korruption angeklagt, mehrere Mitarbeiter haben bereits aufgrund seiner Haltung den Leichtathletik-Weltverband verlassen. Im Bericht des Leichtathletik-Weltverbandes heißt es, dass kein Doping-Fall vertuscht wurde. Der Leichtathletik-Weltverband behauptet in seinem Bericht
- alle Fälle verfolgt zu haben, die verfolgt werden mussten
- alle Fälle sanktioniert zu haben, bei denen das erforderlich war
- bei den Sanktionen entsprechend den Regeln des Weltleichtathletik-Verbandes und des Welt-Anti-Doping-Codes gehandelt zu haben
Die Iaaf betont in ihrem Bericht, dass nur eine sehr geringe Zahl von Personen, die früher mit der Iaaf assoziiert waren, von den Anschuldigungen des Dopings betroffen ist.
Korruption ist schlimmer als bei der Fifa
Bei der Iaaf sind die Korruptionen noch viel schwerwiegender als beim Weltfußball-Verband Fifa. Viele Experten mögen die Einschätzungen der Iaaf als Versuch empfinden, dass die Dimensionen des Doping-Skandals kleingeredet werden sollen. Richard Pound, Vorsitzender der unabhängigen Untersuchungskommission der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada, spricht davon, dass der Skandal in der internationalen Leichtathletik noch weitere Kreise zieht als die Vorgänge beim Weltfußball-Verband Fifa ist. Pound, ein 73-jähriger Kanadier, sagt, dass die Anzahl an Nullen zwar kleiner ist, dass aber der Skandal nicht nur einen finanziellen Aspekt hat, sondern dass er sich auch unmittelbar auf die Ergebnisse im Stadion auswirkt. Die Integrität des Wettbewerbs ist gefährdet. Pound will die Machenschaften der höchsten Führungsebene des Leichtathletik-Weltverbandes aufklären, er hat tiefe Einblicke angekündigt. Gegenüber der englischen Zeitung Times sagte er, dass er zeigen will, „wie es die Drecksäcke getrieben haben“.
Reformen mit 14-Punkte-Plan erzielen
Der britische Verband UKA hat jetzt ein „Manifest für saubere Leichtathletik“ herausgebracht, mit dem der massive Vertrauensverlust der Leichtathletik aufgrund von Doping und Korruption wieder eingeschränkt werden soll. Der Verband spricht sich für die Zurücksetzung aller Weltrekorde aus. Die Rede ist davon, dass die Integrität der Leichtathletik noch nie so in Frage gestellt wurde wie 2015. UKA-Vorsitzender Ed Warner sagt, dass das Vertrauen in die Leichtathletik seit Jahrzehnten nicht so niedrig war wie jetzt und dass saubere Leichtathleten und Sportfans noch nie so enttäuscht wurden. Im 14-Punkte-Plan geht es um
- öffentliches Register für alle Dopingtests
- Zulassung nur von Athleten mit gültigem Blutpass zum Start bei den Weltmeisterschaften
- Sperren von acht Jahren bei schwerem Dopingverdacht bereits im ersten Fall
Warner betont, dass die UKA der Meinung ist, dass jetzt Zeit für radikale Reformen ist. Es geht darum, größere Transparenz zu schaffen, härtere Strafen zu verhängen und die betroffenen Athleten über längere Zeit zu sperren. Weltrekorde müssten für eine neue Ära zurückgesetzt werden, damit die Leichtathletik wieder glaubwürdig wird. Um die Glaubwürdigkeit des Sports wiederherzustellen und wieder Vertrauen bei Sportfans zu schaffen, kommt es darauf an, für alles offen zu sein. Sponsoren wurden von der UKA aufgerufen, Sportler, bei denen schwere Dopingvergehen nachgewiesen wurden, nicht mehr zu unterstützen. Noch hat der Leichtathletik-Weltverband nicht auf den Vorstoß der IKA reagiert. Wada-Ermittler Richard Pound meint, dass Sebastian Coe als neuer Präsident des Leichtathletik-Weltverbandes bereits jetzt als Reformer und Aufklärer versagt habe. Coe reagiere nur, doch würde er nicht nachhaltig handeln. Erkennt die Iaaf ihr Problem nicht an, ist es schwer, die erforderlichen Änderungen umzusetzen.
Sogar Russland-Präsident Putin soll verstrickt sein
Tiefer kann der Doping- und Korruptionssumpf kaum sein, sogar Russland-Präsident Wladimir Putin steht im Verdacht, verwickelt zu sein. Der Untersuchungsbericht der Wada-Kommission wirft der Iaaf einen kompletten Zusammenbruch der Führungsstruktur vor. Auch der jetzige Präsident Sebastian Coe gerät immer mehr unter Druck, er ist seit 2003 Mitglied des Iaaf-Councils und war unter Diack von 2007 bis 2015 Vize-Präsident. Coe selbst weist alle Vorwürfe wegen Vertuschung gegen ihn zurück, er sagt, dass Unregelmäßigkeiten verfolgt wurden und Strafen verhängt wurden. Auch Helmut Digel, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, weist den Vorwurf organisierter Korruption zurück, er behauptet, zu keinem Zeitpunkt von den Vorgängen gewusst zu haben. Er spricht davon, sich immer wieder mit Diack angelegt zu haben, dass der Präsident allerdings eine uneingeschränkte Macht in der Struktur der Verbände hatte und gegen die es schwer ist, vorzugehen. Russische Athleten hätten vor der Weltmeisterschaft in Moskau gestoppt werden müssen, was allerdings nicht erfolgte. Die Rede ist vom Abschluss eines TV-Vertrages für die Titelkämpfe. Lamine Diack soll bereits vor der Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2013 den Dialog mit Putin gesucht haben, um eine Lösung des Doping-Problems von neun russischen Athleten zu finden. Es ist nicht klar, ob es zu einem Deal kam, dem Bericht zufolge soll keiner der verdächtigen Sportler an den Start gegangen sein. Die Verantwortlichen sollen nun ihre Konsequenzen tragen:
- Ausschluss des russischen Leichtathletik-Verbandes ARAF aus der IAAF
- Aus der russischen Leichtathleten für die Olympischen Spiele 2016 in Brasilien
- Ermittlungsverfahren gegen Diack und weitere Beschuldigte
Ende des Korruptions- und Dopingskandals nicht absehbar
Ein Ende des Korruptions- und Dopingskandals ist nicht abzusehen, gesperrt wurden bereits der Sohn von Diack, Papa Massata, der ehemalige Schatzmeister der Iaaf und russische Leichtathletik-Präsident Balachnitschew sowie Alexej Melnikow, ein früherer russischer Cheftrainer. Sie alle wurden mit einer lebenslangen Sperre belegt. Für fünf Jahre wurde Gabriel Dolle, Leiter der Anti-Doping-Abteilung der Iaaf, gesperrt. Ob diese Maßnahmen ausreichen oder ob weitere Skandale nach außen dringen, bleibt abzuwarten. Foto: wikimedia/IAAF / Philippe Fitte