Deutschland nur mit „Rumpfteam“
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Grundsätzlich gehört eine deutsche Mannschaft traditionell zum Favoritenkreis, dies sollte auch bei Olympia der Fall sein. Doch die olympische Auswahl des DFB ist keine goldige Traumelf. Vielmehr handelt es sich um eine Kompromisslösung, was allen voran dem komplizierten Nominierungsprozess geschuldet ist, der einer Farce glich. Denn viele Bundesligaklubs haben offenbar die Abstellung ihrer Profis verweigert, wobei laut Reglement nur Spieler beim Herren-Olympiaturnier teilnehmen dürfen, die nach dem 31. Dezember 1992 geboren sind.
Zudem darf jedes Team drei „Oldies“ in die U21-Auswahl berufen. Im Falle der deutschen Elf haben Nils Petersen (SC Freiburg) sowie die Bender-Zwillinge Sven (Borussia Dortmund) und Lars (Bayer Leverkusen) ein Ticket bekommen.
Hrubesch muss auf etliche Jungstars verzichten
Deutschland hätte durchaus eine sehr klangvolle Mannschaft zur Olympiade schicken können, doch aufgrund der EM-Teilnahme in Frankreich fallen allein schon Spieler wie Leroy Sane, Joshua Kimmich, Julian Draxler, Julian Weigl, Emre Can, Jonathan Tah sowie die beiden Keeper Marc-Andre ter Stegen und Bernd Leno aus. Zudem gab es für die Klubs keine Abstellungspflicht, wobei kein Verein auf mehr als zwei Akteure verzichten muss. Ohnehin hatten die Vereine herzlich wenig Interesse ihre Spieler für Olympia freizustellen. Traurig, aber natürlich auch wenig überraschend.
Darüber hinaus wurde vereinbart, dass keine Spieler, die im Sommer den Verein gewechselt haben, nach Rio fahren, damit die Eingliederung nicht gefährdet wird. Somit sind auch die beiden Stürmer Kevin Volland (wechselte von Hoffenheim nach Leverkusen) sowie Timo Werner (wechselte von Stuttgart nach Leipzig) nicht dabei. Für Hrubesch glich die Kadernominierung entsprechend einer Herkulesaufgabe.
Deutsche Olympia-Elf kann auf individuelle Qualität bauen
Aber trotz aller widrigen Umstände und dem Fehlen zahlreicher Jungstars macht sich eine junge deutsche Olympiamannschaft auf den Weg, die durchaus im Medaillenkampf ein ernstes Wörtchen mitreden kann. Chancenlos ist die DFB-Auswahl keinesfalls, zumal auch die meisten anderen 15 Teams die gleichen Schwierigkeiten bei der Kadernominierung hatten.
Zudem verfügt die deutsche Herren-Olympiamannschaft über jede Menge individuelle Qualität. Neben Torjäger Nils Petersen zählen dabei allen voran die beiden Offensivspieler Max Meyer (Schalke), der wohl das Team als Kapitän anführen wird, und Flügelflitzer Julian Brandt (Leverkusen) zu den Hoffnungsträgern. Und mit Timo Horn (Köln) haben die Hrubesch-Schützlinge einen sehr fähigen Keeper im Kasten zu stehen. Ein Problem ist jedoch, dass die zusammengewürfelte Mannschaft sich erst einspielen muss, was in der Kürze der Zeit schwer wird, wie auch Führungsspieler Lars Bender betont: „Wir haben auch nicht mehr die Zeit, uns ewig darauf vorzubereiten, zusammenzuwachsen. Da kommen natürlich noch ein paar Schwierigkeiten auf uns zu.“
Gruppenphase für Hrubesch-Team machbar – Brasilien Topfavorit
In der Vorrunde bekommt es Deutschland gleich zum Auftakt mit Olympiasieger Mexiko zu tun (5. August, 1.00 Uhr in Salvador de Bahia), die zugleich als ärgster Konkurrent angesehen werden dürfen. Nur zwei Tage später geht es gegen die nicht zu unterschätzenden Südkoreaner (7. August, 21.00 Uhr in Salvador de Bahia). Zum Abschluss bekommt es die deutsche Elf mit dem Exoten Fidschi zu tun (10. August, 21.0 Uhr in Belo Horizonte), der auf dem Papier der leichteste Gegner ist.
Die Gruppenphase sollte die Hrubesch-Truppe überstehen, zumal sich die jeweils ersten vier Teams der vier Gruppen für das Viertelfinale qualifizieren. Im Viertelfinale warten wahrscheinlich Argentinien oder Portugal, die in der Gruppe D mit Honduras und Algerien Favorit sind. Durchaus zwei schwere Brocken, wobei allen voran die Gauchos hoch gehandelt werden. Ein Ausscheiden im Viertelfinale wäre bei dieser Konstellation zumindest keine Sensation. Daher lautet die Einschätzung: Deutschland übersteht die Gruppenphase, danach zählt der olympische Gedanke: ‘Dabei sein ist alles!’
Die Goldmedaille scheint ohnehin für Brasilien reserviert, die mit Neymar einen absoluten Superstar im Aufgebot haben. Die Selecao hat dem Traum vom Gewinn der Goldmedaille im eigenen Land viel untergeordnet, wobei auch Douglas Costa vom FC Bayern im brasilianischen Olympia-Team stand, der aber verletzungsbedingt absagen musste.
Übersicht: Gruppen vom Männer-Olympiaturnier in Rio
- Gruppe A: Brasilien, Südafrika, Irak, Dänemark
- Gruppe B: Schweden, Kolumbien, Nigeria, Japan
- Gruppe C: Fidschi, Südkorea, Mexiko, Deutschland
- Gruppe D: Honduras, Algerien, Portugal, Argentinien
- Modus: Gruppen-1. und 2. im Viertelfinale
DFB-Frauen schielen nach Gold
Bei den DFB-Frauen, die mit der ‘normalen Nationalmannschaft’ in Rio spielen, ist die Ausgangslage eine andere. Die Mannschaft von Trainerin Silvia Neid darf getrost zu den heißesten Gold-Anwärterinnen gezählt werden, wobei die Qualität im Frauen-Turnier von Olympia sehr hoch ist. Zumal es nur drei Gruppen mit je vier Teams gibt. Auf die deutschen Frauen warten in der Vorrunde der amtierende Asienmeister Australien, WM-Viertelfinalist Kanada sowie die Wundertüte Simbabwe.
Das Erreichen des Viertelfinals darf als Pflicht angesehen werden, zumal sich neben den beiden Gruppenersten auch die zwei besten Gruppendritten fürs Viertelfinale qualifizieren. Im Viertelfinale könnten dann schon „Kracher wie USA oder Frankreich kommen“, wie Nationalspielerin Saskia Bartusiak orakelte, die bereits 2008 bei den Olympischen Spielen in Peking die Bronzemedaille holte. Eine Medaille sollte auch in Rio rausspringen. Welche Farbe diese am Ende haben wird, hängt natürlich auch vom Turnierverlauf ab. Aber ein Finale mit deutscher Beteiligung ist realistisch.
Übersicht: Gruppen vom Frauen-Olympiaturnier in Rio
- Gruppe E: Brasilien, China, Schweden, Südafrika
- Gruppe F: Kanada, Australien, Simbabwe, Deutschland
- Gruppe G: USA, Neuseeland, Frankreich, Kolumbien
- Modus: Gruppen-1. und 2. plus zwei beste Dritte im Viertelfinale
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